SCHLOSS RITZEBÜTTEL
Ein gar nicht profaner Profanbau - Zu den vielen Dingen meiner Geburtsstadt, die ich bei den Besuchen bei meinen Eltern nie wirklich wahrgenommen habe, gehört auch das Schloss Ritzebüttel. Für mich war es vordergründig mit dem Schlosspark verbunden, da meine Mutter dort immer ihre Hunde ausgeführt hat. Sie hatte ihr Geschäft in der Nordersteinstraße und diese endet als Fußgängerzone direkt vis-à-vis vom Schloss und daher lag es für sie strategisch günstig. Um ehrlich zu sein, habe ich den Blick nie wirklich gehoben auf dieses wunderschöne Backsteingebäude im Herzen der Stadt. Wenn wir irgendwohin in den Urlaub fahren, dann sind wir begierig alles zu erkunden und Sehenswürdigkeiten zu besuchen, um alle wichtigen Eindrücke als Schatz mit nach Hause zu nehmen. Mir fällt auf, dass diese Art eine Stadt und deren Gebäude zu betrachten ganz häufig nicht für die Heimatstadt gilt; alles ist selbstverständlich, schon immer da und folglich eher langweilig. Wie so häufig ist es die Bedeutung, die wir den Dingen geben, die einhergeht mit der Aufmerksamkeit und Wertschätzung die wir schenken.
Nachdem ich den Blick geöffnet hatte für das kleine Schloss Ritzbüttel, habe ich auch darüber nachgelesen und konnte sehr spannende Dinge über diese historische Keimzelle von Cuxhaven herausfinden. Das spätmittelalterliche Bauwerk und das dazugehörige Amt Ritzebüttel soll es seit 1394 geben und damit wäre es über 600 Jahre alt, absolut beeindruckend. Weit über 500 Jahre dieser Zeitspanne war es allerdings eine Enklave der Stadt Hamburg, erst 1981 kam es nach einigen Eigentümerwechseln in den Besitz der Stadt Cuxhaven. Und nach umfangreichen Restaurierungsarbeiten wurde es 1996 der Öffentlichkeit als „Bürgerschloss“ übergeben, steht es auf der Website der Stadt Cuxhaven geschrieben. Da ich jetzt nach meiner Geburt zum zweiten Mal eine Bürgerin der Stadt bin, gehört es also auch ein wenig mir, höchste Zeit meine Wertschätzung wachsen zu lassen. Interessant war für mich auch die Lektüre über einige Amtsmänner, die über die Jahrhunderte im Schloss „gehaust“ haben. „Gehaust“, ist ein Begriff der meine Fantasie anregt und nicht von mir stammt, sondern angeblich vom bedeutenden Historiker Heinrich von Treitschke, der seine geschichtliche Einschätzung zu den Amtmännern wie folgt zusammengefasst haben soll: „In ganz Deutschland gab es keinen so ganz unbeschränkten Gewalthaber, wie jenen Senator, der als Proconsul in dem schönen alten Schloss von Ritzebüttel hauste...". Dass diese Männer bedeutend gewesen sein mussten, erschloss sich mir dann auch bei deren Namen, denn sie kehren in der Benennung von Gebäuden und Straßen wieder; so wusste ich dann endlich woher zum Beispiel das Abendroth-Gymnasium, das Brockes-Haus oder die Kirchenpauerstraße ihre Namen hatten. Eine Kirchenpauer- und Brockestraße sowie einen Abendrothsweg gibt es auch in Hamburg, vielleicht auch genau aus diesem Grund?
Die Schönheit des Schlosses ist wirklich beeindruckend, besonders der im 18.Jahrhundert hinzugefügte barocke Vorbau hat es mir angetan. Bisher kenne ich das Innere leider nur von Bildern, da mein Wunsch zur Erkundung in die unsägliche Zeit einer Pandemie fällt. Aber ich teile unser aller Hoffnung, dass wir ein befreites Leben in naher Zukunft wieder aufnehmen können.
Übrigens, ein Profanbau ist laut Definition „ein Bauwerk oder ein Gebäude für weltliche Zwecke“. Das Adjektiv „profan“ steht für „nicht feierlich, nicht erhaben wirkend, gewöhnlich, alltäglich“. Ich stimme hier eindeutig nicht mit den Hütern unserer deutschen Sprache überein, das Schloss Ritzebüttel halte ich für absolut ungewöhnlich und nicht alltäglich und man sollte es feiern, dass ein Gebäude so viele Jahrhunderte in solch einer Schönheit überstanden hat und den Menschen danken, die dafür gesorgt haben, dass wir es noch immer bestaunen können…machen wir das, sobald wir es können!